History
Otto Friedrich Kruse


Der bekannte gehörlose Lehrer in Norddeutschland, Publizist und Mahner gegen die Unterdrückung der Gebärdensprache im 19. Jahrhundert

Helmut Vogel



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29.3.1801

Geburt in Altona im dänischen Herzogtum Holstein

1806

Besuch der Grundschule in Altona für drei Monate

1807

Ertaubung durch Scharlacherkrankung

1808

Besuch des „Königlichen Taubstummen-Instituts“ in Kiel und Schleswig

Die Gehörlosenschule ist 1799 von Georg Wilhelm Pfingsten in Kiel gegründet und 1810 nach Schleswig verlegt worden. Eine gehörlose Frau Margaretha Hüttmann arbeitet seit 1805 als Hilfslehrerin in dieser Schule mit, wo sie, auch als Lehrerin, bis 1830 bleibt. Otto Friedrich Kruse erwirbt die Gebärdensprache von Schülern und Lehrern. Er wird nach der kombinierten Methode gebildet (Gebärdensprache und Lautsprache (in geschriebener und gesprochener Form)) und vor allem vom jungen Lehrer Hans Hensen gefördert. Ab 1815 wird Kruse als „Repetiteur“ für die jüngeren Schüler eingesetzt.

1817

Lehrer in der Gehörlosenschule Schleswig

Hensen und der Direktor Pfingsten setzen sich für die Einstellung von Kruse nach seiner Konfirmation als Hilfslehrer ein. Kruse muss sechs Jahre lang die Pädagogik in der Theorie und Praxis autodidaktisch studieren, weil er wegen seiner Taubheit vom Besuch beim Schullehrerseminar ausgeschlossen ist.

1825

Kündigung der Stellung in Schleswig und Privatunterricht für gehörlose Kinder in Altona

Mit der Zeit ist Kruse von der Elementarmethode des Schweizers Johann Heinrich Pestalozzi überzeugt, weil Kruse diese für lebensnah hält. Dadurch entstehen Spannungen zwischen ihm und einigen Lehrerkollegen, woraufhin Kruse die Kündigung einreicht. In Altona sammelte Kruse Erfahrungen mit dem Privatunterricht. Dabei verfolgt er nicht mehr den Plan, eine Gehörlosenschule in Hamburg zu gründen. Denn viele Bürger von Hamburg und Umgebung unterstützen den Plan von einem „Komitée des Vereins zur Begründung einer Taubstummenanstalt“ mit Spenden, nachdem das Komitée in dem gehörlosen Daniel Heinrich Senß aus Berlin einen Lehrer gefunden hat.

1829

Gehörlosenlehrer in der Gehörlosenschule Bremen

Es entsteht eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen ihm und David Christian Ortgies, der 1827 die Schule gegründet hat. Kruse zeigt das Lied „Dankgebet der Taubstummen“ nach dem Markus-Evangelium in Gebärdensprache bei der öffentlichen Schulprüfung. Dies führt er später ebenfalls vor dem Dänischen König und der Schleswigen Ständeversammlung auf.


1832

Buch: „Der Taubstumme im uncultivierten Zustande, nebst Anhang von merkwürdigen Taubstummen. Zum Besten der Bremer Taubstummenanstalt“

1832/33

Aufgabe der Stellung in Bremen

Kruse ist wegen Überlastung krank geworden. Daher kehrt er nach Altona zurück und gibt wenige Monate lang die Zeitschrift „Altonaer Bote“ heraus.

1834

Gehörlosenlehrer wieder in „seiner“ Gehörlosenschule Schleswig

Durch Kontakte zu seinem ehemaligen Lehrer und Direktor Hans Hensen hat Kruse von der Möglichkeit erfahren, wieder in Schleswig arbeiten zu können. Kruse führt nun die Sonntagsgottesdienste für gehörlose Schüler und Auszubildenden in der Gehörlosenschule ein und führt sie jahrzehntelang durch. Diese sind der Vorläufer der Kirchenfeste in Schleswig-Holstein ab 1879 in Schleswig. Weiterhin hat er einen ertaubten Lehrerkollegen namens Jean-Jacques Turretin.

1839 

Heirat mit der hörenden Frau Cornils aus Schleswig

Das Ehepaar bekommt später 2 hörende Kinder.

1851/52

Besuch vieler Gehörlosenschulen in verschiedenen Ländern von Europa

Kruse hat lange Zeit Material zur Gehörlosenbildung gesammelt, bevor er dazu kommt, 27 Gehörlosenschulen in verschiedenen Ländern zu besuchen. Dabei führt er das Tagebuch, das teils im Buch von 1853 veröffentlicht wird.


1853

Das weitverbreitete Buch „Über Taubstumme, Taubstummen-Bildung und Taubstummen-Institute, nebst Notizen aus meinem Reisetagebuche“ (über 400 Seiten) erscheint.

Otto Friedrich Kruse wird für seine Leistungen mit Orden von den Regierungen in Dänemark und Schweden geehrt, da er in den höchsten Kreisen der Behörden kein Unbekannter mehr ist.


1855

Neue Zeitschrift für die Gehörlosenlehrer: „Organ der Taubstummen- und Blindenanstalten in Deutschland und den deutschredenden Nachbarländern“

Kruse meldet sich darin mit vielen Beiträgen zu den Diskussionen über die manuelle, kombinierte, orale und rein-orale Methoden zu Wort.


1869

Buch: „Zur Vermittlung der Extreme in der sogenannten deutschen und französischen Taubstummen-Unterrichts-Methode. Ein Versuch zur Vereinigung beider“

Zwischen 1867 und 1870 gibt es heftige Kontroversen zwischen Kruse und den Vertretern der rein-oralen Methode. Kruse erweist sich als der hartnäckige Widerstreiter des Oralismus, da Kruse ein entschiedener Vertreter der Gebärdensprache und der kombinierten Methode (Vorläufer der zweisprachigen Methode) ist. Am Vorabend des Mailänder Kongresses protestiert kein anderer so stark und offen wie Kruse. Das Buch vom 1869 wird in englische und französische Sprache übersetzt. Kruse erhält 1878 den Ehrendoktortitel vom „Gallaudet-College“ in Washington, D.C./U.S.A.

1872

Eintritt in den Ruhestand (nach 55 Jahren als Gehörlosenlehrer)

Ihm werden zwei weitere Orden von den Regierungen in Deutschland und Belgien verliehen.

1875 

Rückkehr zu seiner Heimatstadt Altona


1877

Sein letztes Buch mit über 180 Seiten: „Bilder aus dem Leben eines Taubstummen. Eine Autobiographie des Taubstummen O. Fr. Kruse“

Kruse hat 15 Bücher und sehr viele Artikel zur Gehörlosenpädagogik und Schulpädagogik verfasst und teils auf eigene Kosten verlegt. Mit dem Schreiben und der Tätigkeit als Publizist ist Kruse verbunden wie mit dem Unterrichten der gehörlosen Schüler.

11.3.1880

Tod in Altona

Er ist auf dem Friedhof Diebsteich in der Nähe von Altona begraben. Seine früheren Schüler unter der Leitung von Gustav A. Claudius stiften ihm ein Grabmal. Claudius ist später der langjährige Vorsitzende vom „Taubstummen-Verein Altona und Umgebung“ (1883 gegründet) und unterstützt den „Provinzial-Taubstummen-Verein für Schleswig-Holstein“ (1882 gegr.) durch zahlreiche Spendensammlungen. Frau Kruse überlebt Otto Friedrich Kruse, und sein Sohn namens Otto tritt in die Spuren seines Vaters, da Otto Kruse seit 1876 ebenfalls als Gehörlosenlehrer in der Gehörlosenschule Schleswig arbeitet.


Nachwort: Beim 2. Internationalen Kongress im September 1880 in Mailand entscheiden sich die Gehörlosenlehrer für die rein-orale Methode und die damit verbundene Unterdrückung der Gebärdensprache beim Unterricht in Gehörlosenschulen. Dies führt zur Katastrophe, denn die Gehörlosen und die Gehörlosenlehrer verstehen sich seitdem nicht mehr gut und bekämpfen sich nicht selten.


Literatur:

Teuber, Hartmut: Otto Friedrich Wilhelm Kruse - Eine grosse taube Persönlichkeit, in: Selbstbewußt werden 42, München 1997, S. 15-25.

Vogel, Helmut: Gebärdensprache und Lautsprache in der deutschen Taubstummenpädagogik im 19. Jahrhundert. Historische Darstellung der kombinierten Methode, Unveröffentlichte Magisterarbeit an der Universität Hamburg, Hamburg 1999.