Abstracts
der Referate (in zeitlicher
Reihenfolge bei der Tagung)
Helmut Vogel,
Hamburg
Erziehungswissenschaftler M.A., Historiker
und freiberuflicher Dozent
und
Jochen Muhs, Berlin
Historiker, Vorsitzender Gehörlosenverband
Berlin,
Vize-Präsident Deaf History International
Das Ende des 2. Weltkrieges
vor 60 Jahren
Der zweite Weltkrieg erweist sich als einer
der schlimmsten Kriege in der Menschheitsgeschichte. Während
den Kriegsjahren 1939 -1945 haben die Deutschen, geführt
vom Diktator Hitler und seinen Helfern, in fast ganz Europa
gewütet und viele Leiden hervorgebracht. Insbesondere
in Osteuropa haben sie große Zerstörungen hinterlassen.
1943 wurde der Vormarsch der Deutschen gestoppt und danach
unaufhaltsam von den Siegermächten (Alliierten) zurückgedrängt.
Die deutsche Zivilbevölkerung erlebte die
Folgen des Wütens der Nationalsozialisten. Viele Städte
wurden ausgebombt. Millionen Deutsche verließen ihre
Heimat in den ehemaligen Ostgebieten vor Furcht und Rache
vor der heranrückenden Roten Armee. Mit weit mehr als
50 Millionen Toten ging der Weltkrieg am 8. Mai 1945 in Europa
zu Ende. Es war eine Befreiung von der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft über Deutschland und Europa.
Über dieses Thema werden die Lebenserfahrungen
von gehörlosen Menschen während der NS-Zeit miteinbezogen.
Die Organisation der Gehörlosenverbände nach der
Gleichschaltung, die Erfahrungen in der Hitlerjugend und die
Folgen des Rassenwahns (Judenverfolgung, Zwangsterilisierungen
und Euthanasie) für die Gehörlosen werden behandelt.
Schließlich wird der Umgang mit der NS-Vergangenheit
in der Nachkriegsgeschichte besprochen.
Mark Zaurov, Hamburg
M.A., Historiker,
Vorsitzender Interessengemeinschaft Gehörloser jüdischer
Abstammung Deutschland
Der Holocaust und die gehörlosen
Juden
Der Holokaust mit seiner (durch Nazi-Deutsche organisierten
und durchgeführten) industrieartigen Vernichtung der
europäischen Juden kostete 6 Millionen Juden, darunter
6000 gehörlose Juden, das Leben. Dieser wurde durch die
Befreiung der Alliierten vor 60 Jahren beendet. Der Holokaust
markierte eine Zäsur in der Geschichte der deutsch-jüdischen
Beziehung. Gleichwohl war es auch ein Tiefpunkt für das
Verhältnis zwischen gehörlosen jüdischen Deutschen
und gehörlosen Deutschen.
Denn es waren doch ebenso gehörlose
jüdische Deutsche, die sich erfolgreich für die
Gründung des REGEDE einsetzten und im Nachhinein von
der NS-REGEDE ausgeschlossen wurden mit weitreichende Folgen.
Auch ebneten gehörlose jüdische Deutsche als „Vertreter“
der Gehörlosengemeinschaft durch ihr Engagement die Wege
für Gehörlose in der Gesellschaft und Bildung (Schule,
Universität etc.). Ihre Beiträge wurden bis heute
in der Gehörlosengemeinschaft nicht gewürdigt. Der
Vortrag handelt zunächst über die Begriffe „Holocaust/Shoah“
im Hinblick auf „Bomben-Holocaust“. Diesbezügliche
Gebärden wie auch historische Gebärden werden vorgestellt.
Weiterhin wird über die deutsch-jüdische Gehörlosengemeinschaft
referiert.
Marie-France Percevault,
Orleans und Bernard
Truffaut, Paris, Frankreich
Die gehörlosen Franzosen
während des 2. Weltkrieges -
Forschungen in Frankreich über den 2. Weltkrieg und NS-Deutschland
Das Ziel dieses Vortrages ist es, die
Geschichte der französischen Gehörlosen den deutschen
Gehörlosen näher zu bringen. Nach und nach lernen
sich die Gehörlosen dieser beiden Länder besser
kennen. Dadurch werden ihre Beziehungen zueinander enger und
stärker.
Zunächst wird über frühere Beziehungen zwischen
deutschen und französischen Gehörlosen berichtet
und über die Idee der Rassenhygiene in den USA und in
Europa vor 1939 erläutert.
Über die Lebenssituation der französischen Gehörlosen
während der Zeit von 1939 bis 1945 herrscht bis heute
keine vollständige Klarheit. Die Geschichtsforschung
kann uns nur über einzelne Teilbereiche aufklären.
Folgende Themen wollen die Referenten in chronologischer Reihenfolge
präsentieren:
1) Der „merkwürdige Krieg“ (September 1939
bis Mai 1940)
2) Der Krieg (10. Mai bis 22. Juni 1940)
3) Die Deutsche Besatzung in Frankreich (1940-1944)
4) Die Befreiung (nach dem 6. Juni 1944)
Zum Schluss wollen die Referenten daran erinnern, dass unsere
Hände, nicht die Zeichen des Krieges, als Gebärden
den Frieden und die Zusammengehörigkeit zeigen können.
Dr. Hans-Uwe Feige, Leipzig
Historiker, Vorsitzender Gesellschaft
für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser
Die Geschichte des Gehörlosenverbandes
in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
von der Gründung bis zur Wende
Am 31.5.1957 wurde in Halle/Saale der „Allgemeine
Deutsche Gehörlosenverband der DDR“ (ADGV) gegründet.
Seit Oktober 1960 durften auch Schwerhörige sowie Hörende
(maximal 10% der Mitgliedschaft) dem Verband beitreten. Der
ADGV verfolgte von Anfang an primär sozialpolitische
Ziele. Zu seinen ersten Erfolgen zählte die Befreiung
Gehörloser von Rundfunkgebühren (1964). Auf dem
Stockholmer Weltkongreß der Gehörlosen 1963 wurde
der ADGV- gegen den massiven Widerstand der bundesdeutschen
und österreichischen Vertreter- in den Weltverband der
Gehörlosen (WFD) aufgenommen.
1973 erfolgte die Umbenennung des ADGV
in „Gehörlosen- und Schwerhörigenverband der
DDR“. 1981 und 1987 wurde der GSV mit dem „Vaterländischen
Verdienstorden der DDR“ in Gold dekoriert. Seine enge
Verzahnung mit der Politik der Sozialistischen Einheitspartei
(SED) trug nicht unwesentlich zur Auflösung des Verbandes
nach dem Fall der Mauer bei.
Martin Domke, Dresden
Vorsitzender Landesverband der Gehörlosen
Sachsen
Mein Leben in der DDR und Erlebnisse
nach der Wende als Vorsitzender des Gehörlosen-Landesverbandes
in Sachsen
Martin Domke wurde 1953 in Frankfurt/Oder
geboren, er ertaubte im 5. Lebensjahr. Seine Eltern sind gehörlos,
ebenso seine Großeltern. Seine Mutter nahm als Delegierte
des Bezirks Frankfurt/Oder bei der Gründung des Allgemeinen
Deutschen Gehörlosenverbandes (ADGV) 1957 in Halle teil,
arbeitete danach als Sekretärin in der Bezirksorganisation.
Nach dem Umzug nach Dresden besuchte Martin Domke die Schwerhörigenschulen
Leipzig und Dresden. In Berlin machte Domke das Abitur, wo
es die einzige erweiterte Oberschule für Schwerhörige
gab.
Nach der Lehre als Facharbeiter für Elektronische
Datenverarbeitung in Bad Berka absolvierte Domke ein Fernstudium
als Diplomingenieur für Informationsverarbeitung (heute
Informatik). Danach arbeitete er als Programmierer und bis
nach der Wende als Forschungsingenieur. Seit 1992 ist er als
Angestellter im Sächsischen Staatsministerium für
Soziales tätig.
Nach der Wende im Jahre 1990 wurde der
Landesverband der Gehörlosen Sachsen wieder gegründet.
Seit dieser Gründung bis heute ist Domke 1. Landesvorsitzender,
ebenso 1. Vorsitzender des Stadtverbandes der Gehörlosen
Dresden e.V., der 1991 gegründet wurde. Von 1991 bis
1995 war Domke Vizepräsident des Deutschen Gehörlosen-Bundes.
Helmut Vogel mit
Friedrich Waldow, Essen
Ehrenpräsident Deutscher Gehörlosen-Sportverband,
Herausgeber Deutsche Gehörlosen-Zeitung
Das Leben und Wirken von Friedrich
Waldow anlässlich des 90. Geburtstages und die Deutsche
Gehörlosen-Zeitung
Am 13. Januar 2005 ist Friedrich Waldow
90 Jahre alt geworden. Er ist ein Vordenker für die deutsche
Gehörlosengemeinschaft, eine bedeutende Persönlichkeit
in der Gehörlosengeschichte des 20. Jahrhunderts.
Man muss sich erst über die Herkunft und das Leben
Friedrich Waldows in der ersten Jahrhunderthälfte klar
werden, damit seine einzigartige Persönlichkeit begriffen
werden kann. Friedrich Waldows erste Heimat war Stettin in
Pommern (heute zu Polen gehörig).
Mit der Herausgabe der Deutschen Gehörlosen-Zeitung
seit 1950 war ihm die Möglichkeit gegeben, sich einen
Überblick über die Lebenssituation der Gehörlosen
in ganz Deutschland zu verschaffen. So konnte er zu allen
Fragen Stellung nehmen. In diesem Sinne war die DGZ die politische
Zeitschrift der zweiten Jahrhunderthälfte.
Jahrzehntelang wirkte Friedrich Waldow
in führender Stellung im Deutschen Gehörlosen-Sportverband.
Für die deutsche Gehörlosenkultur ist die Bedeutung
des Gehörlosensportes groß, so dass der Sport die
Identität der Gehörlosen geprägt hat. Die hervorragend
organisierten Weltspiele der Gehörlosen in Köln
1981 sind ein Beispiel für die gut funktionierende deutsche
Gehörlosensportgemeinschaft.
Gerlinde Gerkens, Kiel
Präsidentin Deutscher Gehörlosen-Bund
Ihr Leben in der BRD und Erlebnisse
in der Verbandsarbeit bis
zum Amt als 1. Präsidentin des Deutschen Gehörlosen-Bundes
Gerlinde Gerkens wurde am 1. Juli 1945
als Tochter gehörloser Eltern in Hamm/Westfalen geboren.
Sie ist von Geburt an gehörlos und hat einen gehörlosen
Bruder.
Ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten hat sie von 1965
bis 1979 mehr in kleinen Selbsthilfegruppen und im Hintergrund
ausgeübt. Im Jahre 1980 wurde sie stellvertretende Vorsitzende
des Kieler Gehörlosenvereins und gleichzeitig in den
Vorstand des Gehörlosen-Verbandes Schleswig-Holstein
gewählt. Seit 1986 fungiert sie als 1. Landesvorsitzende.
Darüber hinaus gründete sie 1983 die Arbeitsgemeinschaft
zur Förderung Hörgeschädigter im Großraum
Kiel, die sie bis 2004 als 1. Vorsitzende leitete. In 1987
wurden im von ihr errichteten Zentrum die Landesdolmetscherzentrale
und der Sozialdienst für Gehörlose in Schleswig-Holstein
aufgebaut, die bis heute unter der Leitung von Gerlinde Gerkens
geführt werden.
Gerlinde Gerkens wurde 1989 Mitglied im
Präsidium des Deutschen Gehörlosen-Bundes. 1994
wurde sie dort Vizepräsidentin, seit 1999 die erste und
einzige weibliche Präsidentin bis heute. Kennzeichnend
für ihre vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten
ist ihr unermüdlicher Einsatz für die gesetzliche
Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache, für die
reibungslose Umsetzung dieses Rechts in die Praxis und für
die Chancengleichheit gehörloser Menschen auf allen Ebenen
im gesellschaftlichen und politischen Leben.
Podiumsdiskussion
„Aus der Vergangenheit
in die Zukunft schauen: Erkenntnisse und Anregungen“
mit anschließender freien
Diskussion
Rahmenprogramm
|
Kunstausstellung
Rudolf Werner |
Eine Kunstausstellung mit Bildern von
Rudolf Werner, dem bekannten gehörlosen Kunstmaler aus
Wuppertal, ist während des Symposiums zu besichtigen.
Seine Bilder zeigen den Wandel des Selbstbewusstseins Gehörloser
in den letzten zwei Jahrzehnten.
Ausstellung
von Lothar Scharf
Lothar Scharf wird verschiedene Original-Dokumente und Gegenstände
aus der NS-Zeit ausstellen, da er vor kurzem ein Buch: „Gehörlose
in der Hitlerjugend und Taubstummenanstalt Bayreuth“
geschrieben und herausgegeben hat.
Infotafeln
über die Israelitische Taubstummenanstalt Berlin-Weissensee
Ein paar Tafeln mit Fotobildern und Dokumenten zur Israelitischen
Taubstummenanstalt in Berlin (1873-1942) und zu gehörlosen
Juden werden ausgestellt. Sie stammen aus den damaligen Forschungen
von Nicola Galliner und ihrer Gruppe, und wurden von Prof.
Renate Fischer (Universität Hamburg) zur Verfügung
gestellt.
Filmvorführung „Hanna“
vom Internationalen Visuellen Theater Paris/Frankreich (mit
deutschen Untertiteln)
David de Keyzer und Philippe Berthe, beide
von CinèSourds (=Gehörlosenfilme) aus Reims, stellen
den einstündigen DVD-Film „Hanna“ mit deutschen
Untertiteln vor. Das Internationale Visuelle Theater (IVT)
aus Paris hat das erfolgreiche Stück „Hanna“
in den 90er Jahren aufgeführt. Dieses Stück hat
CinéSourds 2002 auf DVD herausgebracht.
Inhalt des Filmes: Hanna, eine junge Gehörlose,
musste in der NS-Zeit ihre gehörlose Familie wegen der
drohenden Sterilisation verlieren und untertauchen. Ein solcher
Film ist ein Beispiel für uns in Deutschland, wie wir
auch in Zukunft diese „Erinnerungsarbeit“ in unsere
Kulturarbeit einbeziehen.
Geselliger Abend mit Quizshow
von Herbert Christ, Berlin
Quizmaster Herbert Christ wird diesmal
die Fragen zur Gehörlosenkultur und -geschichte des 20.
Jahrhunderts stellen. Teilweise stammen die Fragen aus den
Vorträgen des Symposiums. Wie bei der Benefizveranstaltung
2003 in Hamburg und bei der 2. Jahrestagung 2004 in Heidelberg
erhalten die Bestplatzierten schöne Sachpreise.
Führungen
im Haus der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland
mit Helmut Vogel und Jochen Muhs
Aus dem Flyer (siehe auch www.hdg.de):
In unserer Dauerausstellung erleben Sie deutsche Zeitgeschichte
– nah und persönlich. Originale, anschaulich in
Szene gesetzt, erzählen deutsche Geschichte vom Ende
des zweiten Weltkriegs bis in die unmittelbare Gegenwart.
Erinnern Sie sich an Ihre eigenen Erlebnisse. Entdecken Sie
Zusammenhänge. Gegenstände, Dokumente, Fotos und
Filme helfen Ihnen dabei. Das Museum wird zum Ort der Diskussion
– auch zwischen den Generationen.
Listen zum Anmelden für die Gruppenführungen sind
während des Symposiums ausgelegt.
Bis zu 30 Personen können jeweils bei einer Führung
teilnehmen.
Kontakt
zu Referenten (E-Mail-Adressen)
Helmut Vogel Helmut.Vogel@kugg.de
Jochen Muhs Jochen.Muhs@kugg.de
Mark Zaurov
Marie-France Percevault
Bernard Truffaut
Hans-Uwe Feige
Martin Domke
Friedrich Waldow
Gerlinde Gerkens
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