Aktuelles
 Einblick in die Arbeit der KuGG e.V.  –  zum kommenden 6. DHI-Kongress in Berlin


Nun steht der 6. Deaf History International (DHI) - Kongress in Berlin kurz bevor. Wie den meisten schon bekannt ist, wird er von der „Interessengemeinschaft Gehörloser Jüdischer Abstammung in Deutschland“ (IGJAD) organisiert.
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne unseren Verein „Kultur und Geschichte Gehörloser e.V.“ (KuGG) vorstellen. Der 2. DHI-Kongress 1994 in Hamburg hat uns den Anstoß gegeben und so wurde 1996 auch in Deutschland eine Deaf History-Interessengruppe gegründet, die sich für die Aufarbeitung der Gehörlosengeschichte in Deutschland einsetzt. 2001 wurde aus der Deaf History-Interessengruppe durch den Zusammenschluss mit einem schon bestehenden Verein für die Gehörlosenkultur der Verein „Kultur und Geschichte Gehörloser e.V.“

Hier möchte ich mich auf die Forschungsarbeiten über die nationalsozialistische Zeit in Deutschland konzentrieren, da es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. In der NS-Zeit sind unzählige Gehörlose Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden. Sie wurden zwangssterilisiert oder durch Euthanasie umgebracht. Viele Gehörlose jüdischer Abstammung wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Erst in den 80er Jahren hat sich in der Gehörlosengemeinschaft ein Bewusstsein dafür entwickelt. Damals hat Horst Biesold die Thematik der Zwangssterilisation erforscht und das jahrzehntelange Tabu gebrochen. Inzwischen ist er leider verstorben, aber wir werden ihn nicht vergessen.

Seit den 90er Jahren hat sich Jochen Muhs einen allgemeinen Überblick über die Gehörlosen im Dritten Reich verschafft und darüber referiert. Sein letzter Beitrag über Paul Kroner, einem gehörlosen Juden, stieß auf großes Interesse. Paul Kroner hat sich für die Gehörlosengemeinschaft in Berlin und Deutschland eingesetzt und wurde später im KZ Auschwitz ermordet. Weiterhin hat sich Mark Zaurov auf die verschiedenen Lebenssituationen der gehörlosen Juden konzentriert und die schlimmen Folgen des Holocaust für die gehörlosen Juden in der Gehörlosengemeinschaft aufgezeigt. Vor kurzer Zeit hat sich Lothar Scharf mit den Gehörlosen in der Hitlerjugend befasst und darüber zwei Bücher geschrieben. Auch ich habe mich schon seit längerer Zeit für diese Thematik interessiert.

Im letzten Jahr haben wir anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes die Möglichkeit wahrgenommen und an die gehörlosen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Hierzu wurde ein Symposium unter dem Motto „60 Jahre nach 1945. Mit der Gehörlosengeschichte in die Zukunft“ in Bonn organisiert. Eingeladen waren verschiedene Referenten, darunter einige Zeitzeugen. Es gab sehr interessante Vorträge und einige Menschen berichteten von ihren Erfahrungen. Das Symposium wurde sehr zu unserer Freude mit mehr als 150 Teilnehmern, darunter auch 20 aus anderen Ländern, gut besucht und war somit ein großer Erfolg.

Dazu möchte ich eine kleine Geschichte von einem älteren Teilnehmer aus Holland erzählen. Er hatte miterlebt wie seine jüdischen Freunde von den Nazis deportiert wurden. Danach hat er den nicht-jüdischen deutschen Gehörlosen aber nie davon erzählt. Die Vorträge und Erlebnisse von den Referenten und Zeitzeugen haben ihn berührt und ermutigt, von seiner Geschichte zu berichten. So hat er Jochen Muhs und auch mir zum ersten Mal seine Erfahrungen geschildert.

Wir hoffen auf weitere Begegnungen und einen fruchtbaren Austausch, nicht nur unter uns Deutschen, sondern grenzübergreifend. Nur so können wir unsere gemeinsame Geschichte aufarbeiten und die Zukunft, vor allem im Hinblick auf ein wachsendes Europa, zusammen weiterentwickeln.
Es war eine neue Möglichkeit für die deutsche Gehörlosengemeinschaft, bei einer Veranstaltung gemeinsam der gehörlosen NS-Opfer zu gedenken. Im DHI-Newsletter (Herbst 2005, Nr. 24, S. 2) ist darüber ein Bericht von Mark Zaurov erschienen. Bei Interesse können Sie die Abstracts der Referenten auf unserer Homepage lesen.

Eine Dokumentation über das Symposium wird noch herausgegeben, damit wir die Informationen noch weiter verbreiten können. Wir von der KuGG e.V. wollen uns dafür einsetzen, dass die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten bei den Gehörlosen niemals in Vergessenheit geraten und wir immer der gehörlosen Opfer gedenken.
Wenn wir die Vergangenheit verstehen, können wir einen Blick in die Zukunft werfen und sie gemeinsam gestalten. Ebenso müssen wir gegenüber dem Rassismus und Antisemitismus wachsam bleiben und alles tun, um ihn zu verhindern.
Der kommende 6. DHI-Kongress in Berlin wird einen Beitrag dazu leisten, da viele aus der Welt nach Berlin kommen, um sich mit diesen Themen zu befassen. Wir freuen uns über die bisherigen Kontakte zu anderen nationalen Deaf History-Organisationen. Wir hoffen auch, noch weitere knüpfen zu können.

Viel Glück an die IGJAD für die Ausrichtung eines interessanten und informativen Kongresses.
Und an alle Teilnehmer eine schöne Zeit in Berlin.


Helmut Vogel, 1. Vorsitzender der KuGG

Veröffentlicht in englischer Sprache: DHI-Newsletter, Spring 2006, No. 26, p. 1,3
(Mitglieder der KuGG e.V. erhalten den DHI-Newsletter per PDF)

Einblick in die Arbeit der KuGG e.V.  PDF-Dokument



Insight into the Work of KuGG e.V.
Insight KuGG e.V. PDF

 


 




 

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