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 ARBOS


10. Europäisches und Internationales Gehörlosentheaterfestival

ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater

27. März - 4. April 2009 in Wien, Österreich

Bericht von Herbert Christ

„Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ - unter diesem Motto des Dichters Georg Büchner präsentierte ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater - vom 27. März bis 4. April 2009 das 10. Europäische und Internationale Gehörlosentheaterfestival in Wien. Im Theater des Augenblicks in der Edelhofgasse wurde ein vielfältiges Programm für Gehörlose und Hörende geboten: Dokumentarisches, Visuelles und Poetisches Theater, Konzert für Gehörlose, Filme und Workshops. Jeden Vormittag gab es in den U-Bahn-Stationen der Wiener Linien kurze Theatervorstellungen. In anderen Städten Österreichs wurden Theater und Workshops vor allem für Kinder und Schüler angeboten.

Das Internationale Gehörlosentheaterfestival in Wien feierte sein zehnjähriges Bestehen.
Vor dem 1. Festival im Jahr 2000 wurden 1998 und 1999 die ersten beiden österreichischen Gehörlosentheaterfestivals durchgeführt. Schon seit 2000 unterstützt die Stadt Wien dieses Theaterfestival und fördert so das Gehörlosentheater.

ARBOS  „Über das Marionettentheater"

Was ist ARBOS?
ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater in Wien, Salzburg und Klagenfurt, ist eine Vereinigung zur Förderung des Musiktheaters, von Szenischen Konzerten, des Kinder- und Jugend-Theater, Gehörlosentheater, sowie weitere Theaterformen. 1993 wurde das Gehörlosentheater bei ARBOS auf Initiative von Salzburger Gehörlosen gegründet. Hörende und gehörlose Künstler, Schauspieler und Regisseure arbeiten gemeinsam, integriert und gleichberechtigt.
Herbert Gantschacher (hd), österreichischer Theaterregisseur und Produzent, ist künstlerischer und organisatorischer Leiter des jährlichen Gehörlosentheaterfestivals in Wien. ARBOS hat für seine künstlerische Arbeit bisher mehrere Auszeichnungen und Preise erhalten, u.a. Europäische Kunstpreis der Financial Times, Europasiegel 2002 für innovative Sprachenprojekte, Maecenapreis 1994, 2002, 2003, Artecopreis 1999.

ARBOS arbeitet für das Festival vor allem mit Gehörlosentheater-Gruppen aus Polen und Tschechien zusammen. Das seit 1970 bestehende polnische Gehörlosentheater Teatr 3 aus Stettin (Szczecin) ist vom 3. Festival an regelmäßig dabei. Zeitweise nahmen auch Theatergruppen aus Deutschland, wie der Berliner Gehörlosen-Bühnenclub, teil.
Beim 10. Festival wirkten hörende und gehörlose Schauspieler aus 8 Ländern, u.a. Großbritannien, Singapur, Polen, Tschechien und Österreich mit. Neben einigen professionellen Schauspieler waren auch Amateure, die sich bei den Workshops und täglichen Proben weiterentwickeln konnten.

ARBOS  „Über das Marionettentheater"
Theateraufführung „Über das Marionettentheater"

Vor jeder abendlichen Theatervorstellung gab es eine Einführung vom Festivalleiter Herbert Gantschacher mit Gebärdensprachdolmetscher. Im Foyer des Theaters des Augenblicks befindet sich auch eine Bar, die von gehörlosen Jugendlichen vom Club des WITAF betreut wurde.
Das Festival ist ausdrücklich für gehörlose UND hörende Zuschauer bestimmt. Meist waren mehr hörende Besucher bei den Vorstellungen im relativ kleinen Theater, der nur ca. 100 Personen fasst. Auf ein großes Publikum und große Theaterstätten wird gerne verzichtet, denn der Schwerpunkt des Festivals sind die Schauspieler selbst und dessen Ausbildung und Förderung.
Auffällig ist, dass viele Stücke aus der Literatur kommen, von bekannten und unbekannten Schriftstellern. So wie als Wiederentdeckung die Texte vom Philosophen Wilhelm Jerusalem, der sich mit Gehörlosen und Taubblinden beschäftigte. Die beiden gehörlosen Schauspieler aus Salzburg Horst Dittrich und Werner Mössler sind maßgeblich an der Theaterarbeit von ARBOS und bei den Festivals beteiligt, insbesondere beim Übersetzen der Texte in Gebärdensprache.

ARBOS - Festivalleiter Herbert Gantschacher
Einführung vom Festivalleiter Herbert Gantschacher

Der Höhepunkt des Festivals war, wie viele Festivalbesucher bestätigten, mitten in der Woche am 1. April der Visuelle Theater-Auftritt des weltweit bekannten gehörlosen Schauspielers Ramesh Meyyappan aus Singapur. Er spielte sehr eindrucksvoll mit seinem (hörenden) Partner Carl Anthony Cockram aus Liverpool, Großbritannien. In seinem Stück "THE ART OF WAR" (Die Kunst des Krieges) beschäftigt sich Meyyappan mit Ursachen und Folgen von Gewalt und Kriege. Ramesh Meyyappan, der z.Zt. in England lebt, wurde 2007 in seiner Heimat zum "Schauspieler des Jahres" gekürt. Hoffen wir, dass er bald einmal nach Deutschland kommt.
Am 18.4.2009 berichtet Sehen statt Hören über diesen außergewöhnlichen Künstler, moderiert von Thomas Zander (Wiederholung bei NDR am 25.4.09).
Homepage: www.rameshmeyyappan.com

Konzertbühne

Musik ist ein wichtiger Teil bei ARBOS
Um z.B. Franz Schuberts Liederzyklus “Die Winterreise” für Gehörlose erfahrbar zu machen,
wird der Zyklus visuell interpretiert. Im Konzert visualisiert Horst Dittrich, selbst Mitgründer des Gehörlosentheaters und Vorstandsmitglied bei ARBOS, die Musik und die Gedichte in Gebärdensprache.

Täglich wurde der Film „Touch the Sound” (Berühre den Klang) über einen Monitor gezeigt, ein Film über die berühmte, (fast) gehörlose Percussionistin Evelyn Glennie aus Schottland. Dann konnte man sich besonders auf ihren Auftritt beim Festival freuen.
Ihr „Konzert für Augen und Ohren“ am 3. April war der weitere Höhepunkt. Neun Stücke von diversen Komponisten standen auf dem Programm. Neben der Marimba spielte sie auch auf verschiedenen Trommeln und sogar auf dem Boden.
Die hörenden Besucher waren begeistert, wie auch die Schwerhörigen. Bei den Gehörlosen gab es sehr unterschiedliche Meinungen, einige konnten mit der Musik nichts anfangen und fühlten nur die tiefen Bässe.

Am folgenden Tag führte Evelyn Glennie ein Workshop in “Bewegte Musik” durch. Dieser Workshop wurde speziell für gehörlose Schauspieler entwickelt. Nah an der riesigen Orchester-Trommel stehend, konnte man auch die leichtesten Paukenschläge gut spüren. Im Demo-Talk erläuterte Glennie, wie wichtig die Bewegung für das Entstehen von Klang ist. Musik wird erst durch Bewegung hör- und begreifbar, Gehörlose fühlen die Schwingungen der Töne. Offizielle Homepage: www.evelyn.co.uk


Workshop mit Evelyn Glennie

4. April, letzter Tag – Als internationales Theaterprojekt von ARBOS mit Teatr 3 erfolgte die Theateraufführung „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“. Als „Visuelles Theater“ im Programm genannt, war es aber reines Sprech-Theater. Die fünf Darsteller aus Österreich und Polen lasen von den Manuskripten ab und gebärdeten, leider teilweise nicht verständlich. Die polnischen Akteure bemühten sich in internationaler und österreichischer Gebärdensprache, während ein Hörender oben im Gebälk in Lautsprache vortrug. Die darstellerische Ausdruckskraft der Gebärdensprache leidet darunter und schmälert den Gesamteindruck.
Es ist mir unverständlich, dass gerade diese Form des Theaters mit Text-lastigem Inhalt gewählt wurde. Bei internationaler Beteiligung sollte eher Visuelles- oder Bewegungs-Theater im Vordergrund stehen.
Ein allgemeines Problem ist, dass nicht wenige Gehörlose keinen oder nur beschränkten Zugang zur Literatur haben, sowie zur Kultur der Hörenden. Daher das relativ geringe Interesse der Gehörlosen, was sich in den mäßigen Besucherzahlen ausdrückt. Die Arbeit von ARBOS ist jedenfalls zu begrüßen, da sie den Horizont der Gehörlosen erweitern kann.

Beim „Europäischen Gehörlosentheaterkonferenz“ am letzten Tag wurde das Festival ausgewertet und über die weitere Entwicklung des professionellen Gehörlosentheaters in Europa diskutiert. Seit 2001 gibt es ein Netzwerk von Theater-Künstlern in Europa, organisiert von ARBOS, um gehörlose Künstler und Künstlerinnen sowie das Gehörlosentheater in der Öffentlichkeit bekannter zu machen und um Barrieren abzubauen.
Man plant, auch in den nächsten Jahren das Wiener Festival in ähnlicher Form durchzuführen. Besonders für Schauspieler mit Interesse am Literatur-Theater, ob allein oder in der Gruppe, ist die Teilnahme zu empfehlen.

Der gehörlose Kameramann und Filmemacher Olgierd Koczorowski vom Teatr 3 in Polen machte eine Videodokumentation vom Festival. Jeweils am ersten und letzten Festivaltag wurde sein Dokumentarfilm “Zehn Jahre eines außergewöhnlichen Festivals!” gezeigt. Dieser Film zeigt in Ausschnitten die vielen Theateraufführungen, eventuell ist es später als DVD käuflich zu erwerben.

Weitere Infos über ARBOS und das Festival (mit Inhalte der Theatervorstellungen)
sowie über alle früheren Veranstaltungen sind im Internet unter www.arbos.at
Im Abschnitt „Was Sie über Gehörlosentheater wissen sollten“ ist über die spezielle Theaterform der Gehörlosen und die Gebärdensprache zu lesen. Wie Herr Dittrich meint, ist „die Gebärdensprache als visuelle Sprache im Raum die beste Theatersprache der Welt“.

Im ARBOS Web-TV > Signed Music & Deaf Theatre können kurze Filme von früheren Auftritten angesehen werden.

Bei SignTime TV - www.signtime.tv unter > Reportagen > Events
ist ein Video vom Festival 2009 mit Interviews und Theater-Ausschnitte zu sehen!

Bericht als PDF PDF


FOTOS

Foyer des Theaters des Augenblicks
Im Foyer des Theaters des Augenblicks

Teilnehmer des Workshops “Bewegte Musik”
Teilnehmer des Workshops “Bewegte Musik”

Bericht und Fotos: Herbert Christ, Berlin, KuGG e.V. 2009



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ARBOS – GESELLSCHAFT FÜR MUSIK UND THEATER
www.arbos.at

 

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